Empfehlung für eine patientenorientierte, spezialisierte ambulante Palliativversorgung

In Nordrhein gibt es seit langem ein hohes Engagement von Haus- und Palliativärzten, Pflegediensten, ambulanten Hospizdiensten, Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung in der ambulanten Palliativversorgung. Mit dem seit 2005 geltenden Palliativpflegevertrag und den 2006 geschlossenen Verträgen zur allgemeinen ambulanten Palliativversorgung (AAPV) ist es innerhalb weniger Jahre gelungen, ein Versorgungsnetz in ganz Nordrhein aufzubauen. Auch die SAPV konnte durch den ab 2009 geltenden Rahmenvertrag nahezu flächendeckend ausgebaut werden. Da neben der AAPV und SAPV noch Leistungen der palliativen Regelversorgung auf der Basis des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) erbracht werden, ruht die ambulante Palliativversorgung in Nordrhein auf drei Säulen. 

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Ausgehend von den Erkenntnissen aus Nordrhein werden für den Fortbestand und die Weiterentwicklung der SAPV folgende zentrale Empfehlungen gegeben:
► Es sollte eine Klausel im Bundesrahmenvertrag zur Berücksichtigung regionaler Besonderheiten eingefügt werden, um die vor Ort gewachsenen vernetzten Versorgungsstrukturen zu erhalten bzw. wo nötig, weiterzuentwickeln.
► Die SAPV-Leistungen sollten durch eine wirtschaftlich und organisatorisch eigenständige Einheit aus qualifizierten Ärzten mit Zusatzbezeichnung Palliativmedizin und Pflegekräften mit anerkannter curricularer Palliative-Care-Weiterbildung erbracht werden. Alle Mitarbeiter sollten schwerpunktmäßig in der SAPV tätig sein.
► Der Hausarzt sollte als „Bezugsarzt“ des Patienten auch in der SAPV Ansprechpartner bleiben. Für viele Patienten ist die Betreuung durch den Hausarzt von entscheidender Bedeutung. Ein Ausschluss des Hausarztes würde willkürliche Brüche in der Versorgung erzeugen. Diesem könnte durch die Einführung einer Gesprächsziffer "Hausarzt-SAPV-Kontakt" entgegengewirkt werden.
► SAPV-Teams sollten auch weiterhin verpflichtet werden, mit ambulanten Hospizdiensten verbindlich – z.B. durch Kooperationsvereinbarungen – zusammenzuarbeiten. Die regelmäßige Teilnahme der Koordinationskraft des Hospizdienstes an Besprechungen mit dem SAPV-Team (z.B. an Fallbesprechungen) kann helfen, das individuelle Versorgungsnetz für den Patienten und seine Angehörigen enger zu knüpfen und die ehrenamtliche Begleitung zu individualisieren.
► Zur Sicherung der Qualität sollten bundesweit konsentierte und evidenzbasierte Qualitätskriterien entwickelt und verpflichtend eingeführt werden (z.B. Qualitätsindikatoren oder Outcome-Kriterien). Eine Teilnahme an einem bundesweiten Register könnte erwogen werden.


Weitere Empfehlungen:
 Die 40-stündige Kursweiterbildung Palliativ-Medizin (Curriculum der DGP und BÄK) sollte in die Weiterbildung Allgemeinmedizin aufgenommen werden. Dies würde alle Hausärzte in ihrer Tätigkeit unterstützen, die SAPV bedarfs- und indikationsgerecht zu verordnen.
 Perspektivisch sollte die multiprofessionelle Vernetzung der SAPV-Teams durch entsprechende regionale Kooperationen weiter vorangetrieben werden.
 Neben der Betreuung durch das SAPV-Team sollten HKP-Leistungen ergänzend möglich sein.
 Der Leistungsbedarf in der SAPV sollte sich an der Intensität des Behandlungsbedarfs und der Komplexität der Versorgungssituation orientieren.
 Reibungsverluste an den Schnittstellen „Regelversorgung – AAPV – SAPV“ werden vermieden, wenn die Übergänge von einer Versorgungsform in eine andere klar definiert sind. Beispiel: Nach Stabilisierung des Patienten sollte die Möglichkeit bestehen, ihn wieder aus der SAPV in die AAPV bzw. Regelversorgung zu überführen.

Fazit:
Bei der Ausgestaltung des geplanten Bundesrahmenvertrags sollten die regionalen Besonderheiten berücksichtigt werden. In Nordrhein – und möglicherweise auch in anderen Bundesländern – haben die in der Region ansässigen Akteure ein Netzwerk geschaffen, das eine ambulante Versorgung der Palliativpatienten entsprechend der Notwendigkeit und des individuellen Krankheitsverlaufs rund um die Uhr gewährleistet. Solche regionalen, über die Jahre gewachsenen Netzwerke der persönlichen und fachlichen Beziehungen, ermöglichen am ehesten eine bedarfsgerechte Versorgung der Palliativpatienten.

Die palliative Basisversorgung und die AAPV bilden in Nordrhein das Fundament einer funktionierenden SAPV. Die Sicherung des Versorgungsniveaus und die Weiterentwicklung der ambulanten Palliativversorgung vor Ort werden entscheidend davon abhängen, ob es gelingt, vernetzte und aufeinander abgestimmte Angebote zu erhalten und bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. Mit der Möglichkeit, regionale an den Vorgaben eines Bundesrahmenvertrages ausgerichtete Versorgungsverträge zu schließen, würde sich die SAPV auch künftig zeitnah und bürokratiearm entsprechend den geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen (Neufassung § 132d SGB V) umsetzen lassen.

Das Positionspapier wurde von den Mitgliedern der AG „Ambulante Palliativversorgung“ erstellt:

Dr. med. Ulrich Grabenhorst, Verbund der SAPV-Teams Nordrhein (VSTN)  Dr. med. Astrid Lueg, VSTN  Dr. med. Matthias Schlochtermeier, Hausarzt, AAPV  Mario de Haas, Caritasverband Rhein-Erft Kreis e.V  Thomas Montag, Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin, Landesvertretung NRW  Conny Wolff, Ambulanter Palliativ- und Hospizdienst des Deutschen Roten Kreuzes, Kreisverband Mönchengladbach e.V.  Holger Flügge, kaufm. Leiter des PCT Düsseldorf am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf  Karl-Heinz Wagner, Hausarzt, AAPV, Hospiz- und Palliativverband NRW e.V.  Malgorzata Szajkowska, Palliative Care Duisburg e.G. / medidoc GmbH, Pflegedienst und Palliativpflegedienst  Jessica Reinartz, medidoc GmbH  Robin Fink, AOK Rheinland-Hamburg  Dr. Heike Zimmermann, KV Nordrhein  Achim Merling, KV Nordrhein

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