Für eine würdevolle Versorgung von Sterbenden und Schwerstkranken in Pandemiezeiten in Heimen und Zuhause

Auch wenn das Hausrecht und die einrichtungsindividuelle Auslegung des Infektionsschutzgesetztes zweifelsohne bei den Einrichtungen liegt, stehen wir als Verbund der SAPV-Teams Nordrhein e.V. dafür ein, dass kein Mensch in schwerster Krankheit und im Sterben alleine gelassen werden darf. Wir stellen daher stellvertretend für die täglich in die Versorgung Schwerstkranker und Sterbender eingebundenen SAPV-Teams sowie Haus- und Fachärzte Forderungen zur ethisch tragfähigen Versorgung palliativer Patienten. 

  

Für eine würdevolle Versorgung von Sterbenden und Schwerstkranken

in Pandemiezeiten in Heimen und Zuhause

Die erheblichen Einschränkungen, die insbesondere die älteren Mitbürger zurzeit erdulden müssen, sind schwerwiegend. Informelle und professionelle Pflege- und Versorgungsstrukturen haben sich vollumfänglich an die Pandemiesituation anpassen müssen. Die strengen Isolationsmaßnahmen in den stationären Pflegeeinrichtungen und artverwandten Institutionen führen täglich mehr zum Erliegen etablierter multiprofessioneller und sozialer Strukturen. Zimmerquarantänen und Besuchsverbote werden mit Berufung auf das Infektionsschutzgesetz und unter Einsatz des Hausrechts teils äußerst rigide umgesetzt; wichtigen Versorgern wie SAPV-Teams, Therapeuten und Seelsorgern wird mitunter kein Einlass in die Einrichtungen gewährt; die individuelle hausärztliche Versorgung in einigen Bundesländern zugunsten fest zugewiesener Heimärzte aufgegeben.

Als täglich in die Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen Eingebundene empfinden wir diese Maßnahmen als inhuman. Wir befürchten zudem eine Minderversorgung der Bewohner*innen mit gefährlichen Auswirkungen auf Gesundheitsstatus und Erhalt der Selbstständigkeit, beispielsweise durch den Entfall von Physiotherapie oder adäquater Schmerztherapie. Die Gefährlichkeit des SARS-CoV-2-Virus ist hinlänglich bekannt und doch ist es mit Hilfe geeigneter Strukturen möglich, auch unter diesen Umständen eine jederzeit würdevolle und vollumfassende Versorgung schwerstkranker und sterbender Patienten sicherzustellen. In für den Patienten vertrauter Umgebung – sei es das eigene originäre Zuhause oder eine stationäre Pflegeeinrichtung - schaffen wir es, unter Einhaltung aller notwendigen Schutzmaßnahmen, die Betroffenen im Beisein ihrer Zugehörigen, an einem ruhigen und selbst gewählten Ort zu versorgen.

Unser Ziel ist es, das Sicherheitsversprechen der haus- und fachärztlichen Strukturen in der Allgemeinen und Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung aufrecht zu erhalten. Zudem bietet die Versorgung durch vertraute Hausärzt*innen Sicherheit in diesen schwierigen Zeiten.  AAPV und SAPV sind wichtige Begleiter der Patienten und ihrer Zugehörigen. Nur durch deren Netzwerke kann sichergestellt werden, dass neben körperlichen Beschwerden auch seelische, spirituelle und soziale Not gemindert werden kann und ein würdevolles Versterben, selbst bei Vorliegen schwerster Krankheit, am vom Patienten gewünschten Ort möglich ist.

Choose wisely – das sollte unser Slogan sein.

 

Forderungen zur Versorgung Schwerstkranker

und Sterbender in Pandemiezeiten 

1. Der Zugang zu Schwerstkranken und Sterbenden muss im Sinne einer multiprofessionellen Versorgung für Hausärzt*innen und SAPV-Ärzte, Pflegende, Seelsorger, Therapeuten und Hospizvereine jederzeit mit Schutzkleidung vollumfänglich möglich sein.

2. Der Zugang zu Schwerstkranken und Sterbenden muss für Zugehörige jederzeit mit Schutzkleidung vollumfänglich möglich sein.

3. Zimmerquarantäne und Besuchsverbote müssen und können bei Sterbenden und Schwerstkranken unter Beachtung der allgemeinen Regeln zum Infektionsschutz aufgehoben werden; besonders in stationären Pflegeeinrichtungen und in Hospizen.

4. Die Isolation der Bewohner*innen und Gäste und ihre Folgen müssen überdacht und zugunsten einer Anwendung von Schutzmaßnahmen aufgegeben werden, um die physische und psychische Gesundheit sowie Lebensqualität der Bewohner*innen und Gäste nicht durch unnötige Isolation, soziale Deprivation und den Entfall notwendiger Therapien zu gefährden.

5. Ethische Prinzipien, wie die unbedingte Einhaltung des Patientenwillens, müssen gewahrt werden! Advanced Care Planning und eine Aufklärung über mögliche Behandlungswege bzw. der Konsequenzen müssen zur Wahrung der Autonomie der Patienten auch bei Vorliegen einer Covid-19 Erkrankung erfolgen.

6. Einem nach Abwägung aller Möglichkeiten durch den Patienten geäußertem Wunsch nach palliativer Behandlung muss entsprochen werden und eine Ablehnung intensivmedizinischer Maßnahmen respektiert werden.

7. Die freie Arztwahl darf nicht aufgehoben werden, wir sehen für Nordrhein keine Notwendigkeit für den Einsatz von Heimärzten wie in Bayern oder Niedersachsen.

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